Dankbarkeit und Vertrauen sind der schönste Lohn

 

Dr. med. dent. François Wille
Prof. Reddy, Dr. Raj und Dr. Wille (von links nach rechts)
Anne-Marie Wille mit Cleft-Kinder

Dr. med. François Wille und seine Frau Anne-Marie engagieren sich im Cleft-Zentrum Hyderabad

Er ist ein Unruheständler, begeisterter Rugby-Spieler, ein Schöngeist, der die italienische Kultur und Geschichte liebt. Jahrzehntelang führte der Schweizer Zahnarzt Dr. med. dent. François Wille in der Nähe von Zürich eine Privatpraxis. Statt seine wohlverdiente Pensionierung zu genießen, reiste der erfahrene Mediziner jetzt gemeinsam mit seiner Frau Anne-Marie auf eigene Kosten nach Indien. Wochenlang unterstütze er dort ehrenamtlich die Arbeit der Ärzte im G.S.R. Hospital in Hyderabad- einem Zentrum für Kiefer-Chirurgie der CCI Cleft Childern International Stiftung von Professor Dr. Herrmann Sailer und Dr. Erika Schwob.

Staubige Straßen, sengende Hitze und auch die Klimaanlage des alten Geländewagens schafft da kaum Abhilfe. Dr. François Wille wischt sich den Schweiß von der Stirn, schaut nachdenklich aus dem Fenster. Der Weg vom Flughafen zum G.S.R. Hospital führt vorbei an Slums, neben denen sich dynamische Wirtschaftszentren entwickeln. Prachtvolle Paläste und armselige Hütten geben Auskunft über die zwei Gesichter des Landes. „Mein Leben ist sehr positiv. Mein Beruf hat mich stets erfüllt, meine Frau und ich haben drei gesunde Kinder, es geht uns gut. Wir sind dankbar dafür, wissen, dass das nicht selbstverständlich ist. Wir möchten etwas abgeben. Schon 1974 sind wir gemeinsam nach Haiti gereist und haben dort einen siebenmonatigen Einsatz für die Catholic Mission Board New York geleistet. Nach der Praxisschließung erschien es uns wieder an der Zeit für einen ehrenamtlichen Einsatz.  Ich kenne Professor Dr. Hermann Sailer noch aus meinen Jahren an der Kieferchirurgischen Abteilung der Uni Zürich. Wir sind uns stets verbunden geblieben. Ich bewundere seine Arbeit sowie sein soziales Engagement, das er in seiner Cleft Stiftung leistet, außerordentlich. Deshalb habe ich mich für Hyderabad entschieden“, erzählt der 67-jährige. Dann ist das G.S.R. Hospital- das Cleft-Zentrum in Hyderabad- erreicht. Ein vierstöckiger, zweckmäßiger Bau. Es wurde 2001 gegründet und steht unter der Leitung von Dr. Dr. Rajgopal Reddy. Das Zentrum ist das größte von Cleft-Children International CCI und es hat Vorbildcharakter, denn bislang konnten bereits 18.800 Behandlungen durchgeführt werden. Unter dem vorgezogenen Dach, das ein wenig Schutz vor der schier unerträglichen Hitze bietet, stehen, liegen, sitzen unzählige Menschen. Die Begrüßung durch Professor Dr. Reddy und seine Mitarbeiter ist herzlich. Alle scheinen sich über die Gäste aus Europa zu freuen. „Ganze Familien hoffen hier mit ihren durch Gaumenspalten entstellten Kindern auf Hilfe. Der Zusammenhalt ist groß. Es hat uns beeindruckt, wie die Menschen ausharren. Niemals würden Eltern ihr Kind allein in die Klinik schicken. Hierhin kommen die Ärmsten der Armen. Sie werden deshalb gratis aus der Klinikküche versorgt“, schildert der Zahnarzt nach einer Besichtigung die Situation vor Ort, ergänzt: „Trotz der vielen Patienten geht es erstaunlich ruhig zu. Alle haben wahnsinnig viel Geduld, Patienten, Ärzte und das Pflegepersonal. Mit so einer Effizienz in der Administration und bei der Patientenbetreuung haben wir nicht gerechnet. Es gibt zwei Räume für die Logopädinnen, ein Zimmer für die orthodontische Behandlung, Schlafräume und zwei Operationsräume. Das Hospital ist sehr sauber und hygienisch, aber natürlich fehlt es nach unserem europäischen Standard noch an so manchem. Zum Beispiel an Lasergeräten. Auch Knochenersatz- und Folienmaterial oder eine Abteilung mit zahnärztlichen Rekonstruktionsmöglichkeiten wären wünschenswert. Aber das alles ist sehr teuer.“

Gleich am zweiten Tag assistiert der Schweizer Zahnarzt Professor Reddy und Dr. Raj, korrigiert u.a. eine Lippenhyperplasie, vernäht Wunden. „Ich konnte meine Kenntnisse in der Implantologie und Knochenaugmentation nur theoretisch erklären. Eine eigene Implantologie wäre schön, sie  würde die Arbeit der Kollegen entlasten und den Patienten helfen. Die Ärzte hier leisten teilweise Übermenschliches. Ihr Können und ihr Knowhow sind absolut erstklassig. Sie arbeiten nach den in Zürich anerkannten OP-Methoden. Wie mir Professor Reddy erzählte, überprüft Professor Sailer per Computer alle Operationen, ist immer informiert. Bei ganz besonders schweren Fällen fliegt er nach Indien und operiert sogar persönlich. Es ist schon erschütternd, diese Jungen und Mädchen vor den Eingriffen zu sehen. Manche sind wahnsinnig entstellt, können weder sprechen noch essen. Unbeschreiblich ist das Glück der Kinder und ihrer Eltern nach der Operation. Die Dankbarkeit und das Vertrauen dieser Menschen sind unbeschreiblich“, so François Wille. Ein Eindruck, den Anne-Marie Wille nur bestätigen kann. Während ihr Mann im OP steht, besucht sie mit einem Dolmetscher Schulen, spricht mit Mitarbeitern und fährt in die Dörfer, in denen ehemalige Cleft-Patienten leben, „Auch dort würden wir mehr als herzlich aufgenommen. Die Menschen zeigten uns Fotos ihrer Kinder vor der Operation. Die Jungen und Mädchen, denen geholfen werden konnte, präsentierten stolz ihr- wie sie es selbst nannten- neues Gesicht. Obwohl diese Familien nur das Nötigste zum Überleben haben, waren sie äußerst gastfreundlich, boten Tee und Gebäck an, freuten sich, von ihrem Schicksal erzählen zu können und betonten immer wieder ihre große Dankbarkeit gegenüber der Cleft-Stiftung. Trotz ihres nicht einfachen Lebens sind diese Menschen erstaunlich fröhlich“, sagt Anne-Marie Wille, drückt ein kleines Mädchen fest an sich. Fast einen ganzen Monat verbringen Anne-Marie und François Wille bei den Kindern in Hyderabad. Eine Zeit, die das engagierte Ehepaar prägt. Beim Abschied sagt der Schweizer: „Wir verlassen Indien, das G.S.R. Hospital und die Menschen, die wir hier kennenlernen durften, mit einem positiven Gefühl. Es ist großartig, was Professor Dr. Sailer und Frau Dr. Schwob mit ihrer Cleft-Stiftung bewegen. Ein Engagement mit Herz und Verstand. Besonders hervorzuheben ist die Nachhaltigkeit. Die Kinder werden nicht nur operiert, nein, es gibt auch eine gewissenhafte Nachsorge, Sprachunterricht zum Beispiel und wenn die Notwendigkeit besteht, dann wird ihnen sogar eine Ausbildung ermöglichst, damit sie eine Zukunft haben. Wir sind sehr beeindruckt.“ Seine Frau verspricht: „Wir kommen wieder.“